Mehr Ergonomie – endlich auch beim Rollstuhl

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18.01.2012
Empa-Ingenieure haben gemeinsam mit der Firma r going eine bewegungsaktive, ergonomische Sitzschale für Elektro-Rollstühle entwickelt. Nach dem Motto «Leben ist Bewegen» soll damit die Bewegungsfreiheit von Rollstuhlfahrenden mit verschiedenen Krankheitsbildern erhöht werden.

Büroarbeitsplätze werden heutzutage möglichst ergonomisch eingerichtet. Trotzdem: Nach stundenlanger Schreibtischarbeit aufzustehen, die Beine ausschütteln und den Rücken strecken zu können, tut gut. Den ganzen Tag praktisch in derselben Haltung zu verbringen, ist anstrengend. Besonders Rollstuhlfahrende kämpfen mit dem Problem der immer gleichen Sitzhaltung: Schmerzen, Deformitäten und Druckgeschwüre (Dekubitus) sind die Folgen davon.
Der Ingenieur und Ergotherapeut Roger Hochstrasser, Gründer der Firma r going, wollte Abhilfe schaffen. Daher gelangte er mit der Idee für neuartige Sitzschalen an den Empa-Ingenieur Bernhard Weisse, mit dessen Team Hochstrasser bereits früher erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Die neuentwickelten Sitze sollten die Ergonomie für die Rollstuhlfahrenden verbessern und so zusätzliche Therapiekosten sparen.
 
Von der Idee zu ihrer Realisierung
 
In eineinhalb Jahren entwickelten Empa und r going in einem von der KTI finanzierten Projekt die innovativen Sitzschalen und bauten erste Prototypen. Die neue Schale hat eine bewegliche Rückenlehne aus Rippen- und Gelenkelementen, die dem Rumpfskelett nachempfunden sind. Die Rückenlehne kann sich je nach Variante bis zu  40 Grad vor- und zurückbeugen, seitlich kann sie sich um gut 30 Grad drehen. Sie «zwingt» so die Rollstuhlfahrenden, die Sitzhaltung zu verändern und die Druckpunkte zu verlagern, wie Messungen auf der Sitzfläche ergaben.
 
Forscher des Instituts für Energie und Mobilität (IEM) der Berner Fachhochschule entwickelten das Antriebskonzept und eine Eingabekonsole, über die der Ergotherapeut die Bewegungen der Rückenlehne so programmieren kann, dass sich die Sitzhaltung der Behinderten optimal verändert. «Sollte sich jemand trotzdem mal unwohl fühlen, können die Voreinstellungen jederzeit individuell abgeändert werden», erklärt Weisse.
 
Das Firmengelände als Teststrecke
 
Die Empa wäre nicht die Empa, wenn sie die Entwicklung nicht auf ihre Praxistauglichkeit getestet hätte – in diesem Fall sogar auf dem eigenen Areal. Unterschiedlich schwere Testpersonen befuhren mit der Neuentwicklung Kieswege, Rampen, Trottoir-Absätze und Kopfsteinpflaster. Eine kurvenreiche Fahrt mit dem Tixi-Taxi, dem Fahrdienst für Menschen mit Behinderung, diente dazu, die Belastung der Rückenlehne zu evaluieren – alles zur vollsten Zufriedenheit von Hochstrasser und Weisse. Demnächst sollen klinische Studien anlaufen. Dabei wird sich zeigen, ob die im Labor gemessenen verbesserten Druckwerte Wohlbefinden und Gesundheit der Handicapierten tatsächlich verbessern und ob die Innovation von den Rolli-Fahrerinnen und -fahrern auch akzeptiert wird.

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