«Viele vermeintliche Killerfunktionen sind den Nutzern egal».

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Jost Dubacher

13.05.2020
Christian Fehrlin

Der Design Sprint gehört zu den beliebtesten Innovationswerkzeugen überhaupt. Der Winterthurer Serienunternehmer Christian Fehrlin gehört zu den Anwendern der ersten Stunde. Er sagt, worauf es zu achten gilt.

Sie bezeichnen Ihr Unternehmen Deep Impact als «digitale Fabrik». Warum?
Wir begleiten Grossunternehmen bei ihrer digitalen Transformation. Wir entwickeln die Tools, Apps und Plattformen, die Konzerne wie UBS, Swisscom, Adecco oder LafargeHolcim brauchen, um auch in Zukunft konkurrenzfähig zu sein.

Können Sie ein Bespiel nennen?
Wir haben für den Baustoffhersteller LafargeHolcim ein Tool entwickelt, über das ein Polier die Arbeiten auf seiner Baustelle planen und selbstverständlich auch Beton bestellen kann. Die Lösung hat LafargeHolcim gleich zwei Vorteile: Zum einen konnte ein bisher papierbasierter Prozess digitalisiert werden, zum anderen helfen die Daten aus der Bestellplattform, den Produktionsprozess zu optimieren.

Im März 2016 stellte der Google-Mitarbeiters Jake Knapp den Problemlösungsprozess «Design Sprint» vor. Sie arbeiten seit Jahren damit. Warum?
In vielen Konzernen ‒ aber auch in vielen Startups ‒ werden digital getriebene Businessstrategien über vier bis fünf Jahre aufgelegt. In der Regel sind diese Papiere nach ein paar Monaten Makulatur. Die technologische Entwicklung hat sie links und rechts überholt. Ein Design Sprint hilft, Tempo in die Entwicklung eines digitalen Produkts zu bringen. Man entwickelt innerhalb von drei oder vier Tagen einen validierten Prototyp, von dem man annehmen darf, dass es bei der angepeilten Kundschaft ankommt.

Sie sprechen das Feedback von potentiellen Kunden an. Wie detailliert und repräsentativ muss es sein?
Gar nicht! Fragen Sie fünf Leute aus Ihrem Umfeld und Sie werden 80 Prozent der Fehler eines digitalen Produkts eliminieren können.

Was, wenn die Kunden Features ablehnen, die aus Sicht des Unternehmens geschäftskritisch sind?
Gegenfrage: Ist es besser, wenn man stapelweise Business Requirements schreibt und nach drei Jahren merken muss, dass gar kein Markt besteht für das geplante Produkt? Weil man zum Beispiel feststellt, dass die vermeintliche Killerfunktionen den Nutzern egal ist. - Ich vergleiche das gern mit der Führung eines Unternehmens: Für eine Führungsperson, der sich in seinem Büro einschliesst, ist die Welt immer in bester Ordnung. Aber ein Chef muss rausgehen und feststellen, was seine Mitarbeiter wirklich brauchen. Im Kern geht es bei einem Design Sprint darum, sich und die eigenen Ideen möglichst schnell mit der Realität zu konfrontieren.

Was kommt nach dem Sprint? Die Langstrecke?
Ich persönlich empfehle eine Umsetzung innerhalb von maximal sechs Monaten. Der selbst auferlegte Zeitdruck zwingt einen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bei unseren Projekten achten wir ausserdem darauf, dass alle 14 Tage Feedbackrunden angesetzt sind.

Seit zwei Jahren setzen Sie bei Deep Impact so genannte Ventures auf? Was steckt dahinter?
Wenn einer unserer Mitarbeitenden eine gute Idee hat, verfolgen wir sie weiter. Eines unserer reifen Projekte ist AVA-X, eine AI-basierte Gesichtserkennungssoftware. Sie wird unter anderem bei Fussballspielen eingesetzt, um Hooligans zu identifizieren.

Wie finanzieren Sie die Arbeit an den Spinoff-Ideen?
Bisher aus eigenen Mitteln. Gerade der Erfolg von AVA-X hat aber gezeigt, dass wir damit an Grenzen stossen. Wir verhandeln momentan mit Fussballclubs aus Barcelona, Dortmund und Turin. Derlei lässt sich nicht nebenher erledigen. Für die Skalierung von Ventures wie AVA-X brauchen wir neue Strukturen und finanzielle Ressourcen. Deshalb stellten wir vor wenigen Wochen einen neuen CFO an. Er kennt sich aus mit Wachstumsfinanzierungen.

 

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